Aktuelles

rund um das Thayaland

 

 

„Mehr Mitanaunda für morgen“- Ein Interview über das Projekt Nachbarschaftshilfe Plus

Nachbarschaftshilfe Plus schafft Mobilität, stärkt Gemeinschaft und bringt Menschen zusammen.

Wir haben mit Doris Maurer, Projektkoordinatorin von Nachbarschaftshilfe Plus gesprochen. Ein Gespräch über Zusammenhalt, Mobilität, digitale Lösungen und Zukunftsperspektiven.

Am Land gibt es ja traditionell viel sozialen Zusammenhalt. Warum braucht es trotzdem Projekte wie Nachbarschaftshilfe Plus?

Das stimmt – am Land helfen sich die Menschen oft gegenseitig. Aber die Realität verändert sich: Die Menschen werden immer älter, und Angehörige sind häufig stark belastet, weil die Pflege auf wenigen Schultern lastet. Wir wollen Angehörige entlasten und gleichzeitig den Menschen ermöglichen, länger zu Hause zu bleiben. Dazu gehört auch, Isolation zu durchbrechen. Fahr- und Besuchsdienste holen die Menschen raus aus den eigenen vier Wänden, stärken ihre Selbstständigkeit – und erweitern ihr soziales Netz.  Denn soziale Kontakte sind für Lebensqualität genauso wichtig wie medizinische Versorgung.

Wie gelingt es, Menschen zu motivieren, diese Angebote anzunehmen?

Das braucht Vertrauen. Viele haben Hemmschwellen oder sogar Scham, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir investieren deshalb viel Zeit in den Aufbau des Netzwerks – zum Beispiel durch persönliche Hausbesuche. Ein Arzttermin oder ein Einkauf sind oft der erste Kontakt – und ein Türöffner.

Denn es geht nicht nur um die Fahrt, sondern um Begegnung. Auf dem Weg entstehen Gespräche, neue Kontakte – und manchmal sogar Freundschaften. Das verändert den Alltag vieler Menschen spürbar.

Wie sieht die Bilanz aktuell aus?

In den drei LEADER-Gemeinden Gastern, Windigsteig und Groß Siegharts sind derzeit 81 Ehrenamtliche aktiv, die 95 Klient:innen unterstützen.
Allein im ersten Halbjahr 2025 haben wir 450 Einsätze organisiert – rund 60–70 % davon sind Fahrdienste, 30–40 % Besuchsdienste. Und das Interesse wächst, vor allem in städtischeren Gemeinden. Das zeigt uns: Das Modell funktioniert – und es wird gebraucht.

Was motiviert die Ehrenamtlichen?

Viele sagen: „Ich will etwas Sinnvolles tun“. Manche sind neu in die Region gezogen und finden über das Projekt Anschluss. Andere sind schon länger da und wollen etwas zurückgeben. Durch das Kilometergeld stellen wir sicher, dass Engagement nicht nur ein Privileg für Gutverdienende ist. So können alle mitmachen – und niemand fühlt sich ausgeschlossen.

Das Projekt verbindet analog und digital: Welche Rolle spielt die App?

Die App wurde in einem Vorgängerprojekt entwickelt und ist heute ein zentrales Organisationstool. Damit lassen sich Fahrten abrechnen, Versicherung und Kilometergeld abwickeln – und wir haben ein Monitoring, das für Förderungen extrem wichtig ist. Außerdem hilft sie, Qualität zu sichern und Kosten niedrig zu halten. Die Nutzer und Nutzer:innen selbst stellen in der Regel keine Anfragen ein, das läuft über die Koordination oder Familienangehörige. Aber die App macht das Ganze schlank, zukunftsfähig und übertragbar in andere Gemeinden.

Neben Fahr- und Besuchsdiensten gibt es auch Angebote wie Smartcafés oder Bewegungsgruppen. Wie werden die angenommen?

Sehr gut! Die Smartcafés sind toll für alle, die ihr Smartphone sicher nutzen wollen. Erzählcafés bringen Menschen zusammen, die Geschichten und Erinnerungen teilen. Und die Bewegungsgruppen – zum Beispiel Sitztanz – fördern nicht nur Mobilität, sondern machen auch Spaß. Das sind wichtige soziale Ankerpunkte.

Gibt es eine Geschichte, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Ja, viele! Besonders bewegt mich, wenn jemand sagt: „Ohne euch hätte ich mich nie getraut.“ Wenn Menschen, die lange isoliert waren, wieder rausgehen, neue Kontakte knüpfen und vielleicht sogar Freundschaften entstehen, ist das unbezahlbar. Oder wenn Ehrenamtliche, die zuvor noch nie Ehrenamtlich tätig waren, merken, wie erfüllend das ist. Manche sagen nach dem ersten Einsatz: „Das hat mir selbst so gut getan.“ Es ist somit eine Win-Win Situation für beide Seiten.

Das Projekt läuft seit eineinhalb Jahren – wie geht es 2026 weiter?

Wir sehen LEADER als Anschubförderung, die uns den Start ermöglicht hat. Aber uns war von Anfang an klar: Wir müssen eine tragfähige Struktur für die Zukunft schaffen. Deshalb arbeiten wir gerade an einer Finanzierung, die auf mehreren Säulen steht: Gemeinden, die Österreichische Gesundheitskasse, Spenden.

Unser Ziel: Das Angebot bleibt kostenlos. Denn nicht alle können sich solche Leistungen leisten – und wir wollen, dass alle teilhaben können.

Ihr seid für den VCÖ-Mobilitätspreis 2025 nominiert. Was bedeutet das für euch?

Sehr viel! Mobilität ist der Schlüssel für soziale Teilhabe, gerade im ländlichen Raum. Die Nominierung zeigt, dass unser Konzept wirkt – und dass soziale Mobilität genauso wichtig ist wie technische Innovationen.
Wir sind stolz, dass wir mit 362 anderen Projekten auf Augenhöhe sind und das Thema so sichtbar wird.